…oder wie die kleinen Geschichtchen, die sich zum Bild formten.
Manch einer denkt sich vielleicht, es ist ganz einfach ein gutes Bild zu machen. Man hat eine Idee, zückt die „Knipse“ und macht das Bild. – Aber kaum einer sieht, wie viele Ideen, Arbeit und Begegnungen dem Bild vorausgegangen sind, bevor es dann endlich in seiner Vollendung dasteht. – Von der Entstehungsgeschichte eines solchen Bildes will ich euch erzählen. – Es erinnert mich mal wieder an den Film, „Die fabelhafte Welt der Amelie“, in der am Anfang des Films belanglose verschiedene Situationen passieren, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Erst im Verlauf des Films fügen sich diese voneinander losgelösten Geschichten wie in einem Puzzle zu einem einzigen Bild zusammen.
Es hatte damit angefangen, dass meine Frau unsere Kinder in den Sommerferien zu einigen Ferienworkshops angemeldet hatte.
Unsere „kleine“ 7 jährige Tochter wollte an einem Workshop „Stuhl bemalen“ teilnehmen. Da zu dieser Zeit ihre Lieblingsfarbe „blau“ war, ahnte ich schon, was dann auch so kam.
Am Ende des Workshops hatten wir zu Hause einen alten blauen Holzstuhl stehen.
Eines Tages saß sie auf dem Stuhl. Ihre Hände umfassten die angezogenen Beine, den Kopf vor lauter Traurigkeit in den angezogenen Knien versenkt. – Mich durchzuckte sofort die Idee, sie in dieser Pose zu fotografieren.
Ich stellte mir dabei auch schon die Kameraposition vor, – von ziemlich weit unten von Fußbodennähe, Richtung Rückenlehne, schräg von der Seite.
– Ich nahm mir vor, diese Szene in nächster Zeit mit ihr nachzustellen.
Die Tage vergingen. Ich begann damit, für die Hobbykünstlerausstellung an der ich teilnahm das erste Video für mein Kurzvideoprojekt aufzunehmen. Die erste Videoaufnahme machte ich von einem Ältesten unserer Kirchengemeinde. Aus dem drei minütigen Video wurden über zwei Stunden, in denen wir uns unter anderem auch über Kunst und unsere Kunstprojekte unterhielten. – In diesem Gespräch erzählte er, dass ein Stuhl für ihn das Symbol für Glauben sei. Er prägte dabei den Satz, „Ich glaube, dass du nicht zusammenbrechen wirst„. – Ich sah sofort wieder meine Tochter auf dem blauen Stuhl vor mir, und fand es faszinierend, diese beiden Ideen miteinander zu kombinieren.
Ich mag solche Wortspielereien, – ist der Stuhl gemeint oder du?
Aber meine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, – denn es waren Ferien.
Wenn Papa da war, dann fehlten die Kinder, und wenn die Kinder da waren, dann war Papa nicht da, und wenn beide da waren, dann regnete es.
…aber eines Tages war es so weit, und ich bat meine Tochter zum Fotoshooting auf das Flachdach unseres Hochhauses (das ich manchmal als Atelier missbrauche).
Meine Frau hatte dabei noch die Idee, dass unsere Tochter ihre Lieblingskleidung (ganz in blau) anziehen sollte.
Wir bewaffneten uns mit Haushaltsleiter, Kamera, Stativ und blauem Stuhl und fuhren mit dem Fahrstuhl hoch auf das Dach.
Schnell merkte ich, dass die Kameraposition nicht das Bild gebracht hatte, was mir vorschwebte. Irgendwie war ich mit der Bildkomposition unzufrieden. Wir versuchten noch ein paar andere Positionen von Tochter und Kamera, aber keines der Bilder war so, dass ich sagen konnte: „JA, DAS IST ES“. Enttäuscht brach ich das Fotoshooting ab.
Irgendwas störte mich. Die Körperhaltung ließ sich nicht mit dem Spruch, „Ich glaube, dass du nicht unter mir zusammenbrechen wirst“ in Einklang bringen, und die Kameraposition war auch nichts.
Zurück im Wohnzimmer setzte sie sich wieder auf „ihren“ Stuhl, und schaute Richtung Fenster. Wieder durchzuckte es mich, und ich bat sie zum nächsten Fotoshooting. – Mir war klar, der Kopf, und die Augen mussten (vielleicht gedankenverloren) aus dem Fenster schauen. – Aber leider war die Umgebung des Fensters nicht unbedingt so, dass sich daraus eine gute Bildkomposition kombinieren ließ.
…und dann hatte ich eine Idee…
Ich bat sie zum dritten Fotoshooting in den Treppenhausflur unseres Hochhauses neben den Fahrstuhl. Das Licht fiel durch ein großes Fenster (aus Glas und Maschendraht) so in das Treppenhaus, wie ich es mir vorgestellt hatte (nur von der Seite, zu der der Stuhl und das Gesicht hin gewandt waren). Ich experimentierte noch mit verschiedenen Einstellungen mit- und ohne Blitz und beendete das Shooting.
Bei der nachträglichen Begutachtung der Aufnahmen am Laptop fiel mir sofort das erste Bild von den Treppenhausbildern auf. – Und ich wusste sofort: „DAS IST ES“.
Sofort war mir klar, dass die Umgebung komplett schwarz sein muss, und somit begann ich meine Tochter mit dem Stuhl händisch freizustellen. Anfangs hatte ich noch vor, in das Bild wieder nachträglich ein Fenster einzubauen. Aber nachdem ich dann das Ergebnis gesehen hatte, wurde mir klar, dass das überflüssig sein würde.
Um ca. 1 Uhr morgens war ich dann komplett fertig, – und es verschlägt mir immer noch den Atem wenn ich es anschaue. Ich selber konnte es mir vorher in meinen kühnsten Träumen nicht so schön ausmalen, wie es dann letzten Endes in der Realität Wirklichkeit geworden ist.
Es war ein langer Weg, von den vielen kleinen Ereignissen und Ideen die sich letzten Endes in diesem Bild zu einer Einheit verbanden.
Wenn ich dieses Bild betrachte, dann fühle ich mich wie Leonardo da Vinci, als er die Mona Lisa nach Fertigstellung betrachtet haben muss.
Und auch nach mehreren hundert Jahren würde dieses Bild nichts von seiner Faszination auf mich einbüßen. Dieses Bild ist eines von denen, das mein Herz vor Freude springen lässt, und das mich innerlich begeistert. Verliebt? JA, – verliebt in ein Bild. Und ich kann es kaum fassen, das ich es selbst gemacht habe.
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